Er drückt die Haustür sachte ins Schloss und bleibt in der Diele stehen, ohne Licht zu machen. Der helle Schein, der durch die halb geöffnete Tür gegenüber dringt, zieht seinen Blick an. Leise tritt er näher, späht durch den Spalt. Ja, sie ist in der Küche. Auf dem Herd wartet der Wok, auf dem Holzbrett daneben glänzt das Messer, der Tisch ist gedeckt. Zeit fürs Abendessen. Er streckt die Hand nach der Klinke aus, zögert, zieht sie zurück. Nicht jetzt. Auf einen Blick noch, einen Augenblick. Sie ist so schön, so unfassbar schön. Draußen, jenseits des Küchenfensters, senkt sich die Dämmerung nun rasch.
Plötzlich schreckt er auf. Wie lange steht er hier schon in der dunklen Diele, reglos, und starrt sie an? Wenige Minuten? Eine kleine Ewigkeit? Er kann es nicht sagen. Zu lange, so viel steht fest. Dabei ist dies das Schlimmste, was er tun kann. Er sollte sich ablenken, etwas unternehmen, um den Bann zu brechen. Er weiß doch, wie das sonst endet. Haargenau weiß er das – es ist nur: Seine Liebe zu ihr ist schier unersättlich. Er hat sie immer geliebt, ist ihr verfallen, gleich damals, als er sie zum allerersten Mal sah.
Es war Liebe auf den ersten Blick. Der Glanz ihrer Haut, ihre üppigen Kurven, ihre genussfreudige, lebenspralle Gestalt – aufgewühlt hat ihn ihr Anblick. Treffer. Mitten ins Herz. Dort steckt er, der Pfeil, für immer. Niemals wird er sich satt sehen an ihrer Schönheit. Ihre Perfektion fasziniert ihn. Provoziert ihn. Reizt ihn, bis er keine Sekunde länger widerstehen kann.
Draußen ist es nun ganz dunkel. Das Küchenfenster, ein tiefschwarzes Loch, droht und lockt: Aus der Welt fallen, das geht hier und jetzt ganz leicht. Er muss schlucken, seine Knie zittern. Er kennt die Zeichen. Jetzt ist alles verloren, ist alles zu spät. Er stürmt in die Küche. Mit der rechten Hand schnappt er sich das Messer, mit der linken umfasst er ihren Leib und setzt die Klinge an, genau in der kleinen Kuhle zwischen den zwei schönsten Rundungen ihres Körpers. Ganz zart ist die Haut hier, das Messer ist scharf, mühelos ritzt die Klinge die Haut. Ein erster, hellroter Tropfen sickert aus dem Schnitt. Zwei, drei folgen, rinnen an ihrem Körper herab – den nächsten fängt er mit dem Finger auf, führt ihn zum Mund. Kostet und wird fortgerissen vom Sog dieser Süße. Ein Zurück gibt es nicht, kein Gestern, kein Morgen, nur den Augenblick. Fester greift er das Messer und treibt es tief hinein in ihren verführerischen Körper. Mitten ins Herz.

Diese Geschichte ist für Peter, der in seinem Kochtopf gerade unter dem Banner des Events „Auf Messers Schneide“ durch die Blogosphäre segelt.
Sabine
Groß-ar-tig! Vor allem, wenn man die Geschichte dann zum zweiten Mal liest und in den Gedanken, Empfindungen, Gelüsten des Erzählers auf einmal so viel Vertrautes entdeckt … 😉
svanadis
Dankeschön, Sabine! Ein bisschen Leidenschaft für das, was wir auf dem Teller haben, ist immer gut, oder? 😉
Aus meinem Kochtopf
Wunderbar, Barbara.
Ein Krimi in nur wenigen Zeilen.
Ich bin total begeistert.
Ich wünsche Dir viel Glück bei der Verlosung.
LG, Peter
svanadis
Schön, dass sie (die Geschichte) und er (der Krimi) dir gefallen! 😉 Dankeschön für die tolle Event-Idee, Peter!
Petra Hermann
Einfach nur herrlich, Barbara…..große Freude beim Lesen 🙂
svanadis
Das freut mich, Petra. Merci! 🙂